Bei den Klageparteien in diesem Verfahren handelte es sich um Mitglieder einer zerstrittenen Zweier-WEG. Nachdem seit 2018 kein Verwalter mehr bestellt war, tilgten die beiden Parteien Verbindlichkeiten der Gemeinschaft selbst und verlangten gegenseitig die Erstattung der ausgelegten Kosten in Höhe des jeweiligen Miteigentumsanteils. 2019 veräußerte der Beklagte seine Einheit. Der Kläger verlangte vom Beklagten nunmehr noch Zahlungen in Höhe von 7.068,49 Euro. Das Amtsgericht hatte ihm nur einen Teil dieser Forderung zugestanden. Auch das Berufungsgericht wies den darüberhinausgehenden Anspruch ab.
Dem Beklagten stehe nach Meinung des Berufungsgerichts nach dem Ausscheiden aus der Gemeinschaft ein aufrechenbarer Gegenanspruch aus Sozialverbindlichkeiten gegen den Kläger zu. Zwar gebe es auch in einer zerstrittenen Zweier-WEG den Grundsatz, dass § 9a Abs. 4 WEG keine Anwendung auf solche Verbindlichkeiten findet. Von diesem müsse aber abgewichen werden, wenn der Anspruchssteller wie hier aus der Gemeinschaft ausgeschieden ist, da er weder auf Beschlussfassungen der Gemeinschaft Einfluss nehmen kann noch über die Beschlussersetzungsklage die Ausstattung der Gemeinschaft mit den notwendigen finanziellen Mittel verlangen kann. Ihm muss daher der Rückgriff auf einzelne Wohnungseigentümer nach § 9a Abs. 4 WEG möglich sein.
Der BGH sah die Angelegenheit anders. Nach Meinung der Bundesrichter kann der Beklagte den Ersatz der für die Gemeinschaft getätigten Zahlungen nur von ihr verlangen. Hieran ändere sich auch nichts, weil der Beklagte aus der Gemeinschaft ausgeschieden ist. Es sei zwar richtig, dass der ausgeschiedene Wohnungseigentümer als außenstehender Dritter nicht mehr auf Beschlüsse der Gemeinschaft einwirken oder die Beschlussersetzungsklage anstrengen kann. Trotzdem handele es sich bei der Forderung nach wie vor um eine Sozialverbindlichkeit nach § 9a WEG. „Forderungen eines Wohnungseigentümers auf Aufwendungserstattung wegen der Tilgung einer Verbindlichkeit der GdWE haben ihre Grundlage ausschließlich in dem Gemeinschaftsverhältnis und sind untrennbar mit der Stellung des Ausgleichsberechtigten als (früherem) Wohnungseigentümer verbunden.“ Auch der ausgeschiedene Wohnungseigentümer muss sich daher an die Gemeinschaft wenden. Sofern diese nicht mit ausreichenden Mitteln ausgestattet ist, kann er den Anspruch der Gemeinschaft gegen ihre Mitglieder auf ordnungsgemäße Verwaltung, insbesondere hinsichtlich der Zuführung von Mitteln an die Gemeinschaft, oder Schadensersatzansprüche wegen der fehlenden ordnungsgemäßen Verwaltung, pfänden. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten treffen einen ausgeschiedenen Eigentümer nach Meinung des BGH weniger stark, da er die Vollstreckung aufgrund seiner Kenntnisse des Innenverhältnisses der Gemeinschaft zielgerichteter betreiben kann. Darüber hinaus könnte er auch vor dem Ausscheiden aus der Gemeinschaft durch entsprechende Beschlussanträge bzw. -ersetzungsklagen für eine ordnungsgemäße finanzielle Ausstattung der Gemeinschaft sorgen. Für diese Einschätzung spreche zudem, dass der Gesetzgeber die entsprechende Regelung in § 10 Abs. 8 S. 1 bis 3 WEG aF unverändert in § 9a Abs. 4 WEG übernommen hat.
Aus diesen Gründen sprachen die Bundesrichter dem Kläger auch die durch die Aufrechnung bislang nicht stattgegebene Forderung zu.